Montag, 9. Februar 2015

09. Februar 2015

Eine Frau mit Ecken und Kanten,
heute möchte ich kurz über meinen jetzigen Zusatand berichten und wie ich meinen
Alltag meistere.
Ich nehme seit letzten November eine sehr niedrig dosierte Menge an weiblichen Hormonen zu mir und fühle mich sehr wohl damit.
Ich bemerke eine langsame Verweiblichung meiner Haut, Brust, Kopfhaare und
eine immer noch intakte Libido, welches aus meiner Sicht ein wichtiges Indiz für ein
Wohlempfinden darstellt und mir nach wie vor sehr wichtig ist.
Doch wie komme ich damit nun durch den Alltag?
Gut.
Die meisten akzeptieren mich so wie ich bin und haben gar kein Problem mit meinem
weiblichen Vornamen.
Gestern holte ich ein Paket von der Poststelle für meine Frau ab, der Mann hatte gar keine Zweifel das Paket an Frau H. W. auszuhändigen.
Am selben Tag ging ich mit meinem neuen Kleid, bei Esprit im Internet gekauft, zur Änderungsschneiderei und ließ ein paar Abneher vornehmen. Natrlich habe ich dann immer noch ein wenig Herzklopfen, doch meine Erfahrung zeigt mir, das ich mich normal in der Öffentlichkeit bewege und genau wie eine Frau behandelt werde.
In Frankreich wird Frau oft mit Madame angesprochen und als Transfrau hat man sofort eine Rückmeldung über die richtige oder auch falsche Verortung, was mir jedoch sehr gefallen hat.
Natürlich gibt es immer wieder Momente wo ich stark beobachtet werde, so z. B. in der U-bahn. Mit 185cm ( mit Absatz ) fällt man auf und meine Stimme klingt nicht wirklich weiblich und doch möchte ich sie nicht wirklich übermäßig strapazieren und verstellen. Ich spreche etwas leiser und vermeide tiefe Stimmlagen.


Dies hier ist ein aktuelles Foto von mir.
Natürlich muß ich mich jeden Morgen
rasieren und mit Camouflage den
hellen Bartschatten abdecken.
Jedoch stellt sich für mich das morgendliche Schminken als eine ganz
normale weibliche Handlung dar.
So wie es viele Frauen jeden Tag bei sich auflegen, ganz im Sinne des Songtextes
„ when I wake up .... “

Ich bin auch nicht mehr die Jüngste und habe miterlebt wie schnell Mit-Schwestern
aus dem einen Pool in den anderen geswitcht sind, wo ich mich immer gefragt habe, ob das Gehirn da mitkommt. Ich bin wirklich eine Schnecke unter den Transfrauen, was die Behandlungsschnelligkeit angeht, doch in meiner Langsamkeit konnte ich viele Freunde und Verwandte auf meinen Weg mitnehmen. Manchmal verhaspeln sich die alten Freunde mit meinem neuen Namen, doch ich gebe Ihnen die nötige Zeit und es sagt mir das sie den alten Kerl von früher immer noch erkennen und  er sich von der jetzigen SIE nicht allzu sehr unterschied. Bei neuen Freunden und Bekannten bemerke ich gar kein Zögern beim Aussprechen meines neuen Namens, trotz Körpergröße und tieferer Stimme. Das sind die Momente die ich sehr genieße.
Auf dem You Tube-Kanal von Transfleur bin ich auf eine junge Transfrau gestoßen, sie nennt sich weiterhin Mario, bis sie einen weiblichen Vornamen für sich gefunden 
hat und berichtet mit einer Offenheit über Ihr Leben als Transffau, die ich so erfrischend finde und oft bei anderen vermisse. Ich wünschte ich hätte in meinen
frühen 20er Jahren schon soviel Selbstbewußsein gehabt, aber es ist nie zu spät.